VOR- UND NACHTEILE

Scorekeeper ist ein System, dass insbesondere eine tiefgründige Charaktererstellung und -entwicklung bei Spielercharakteren ermöglichen soll. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sowohl Spielern als auch Spielleitern hilft, die Charaktere, Stories und Kampagnen dreidimensionaler zu gestalten, wenn in den Regeln ein Vor- und Nachteilsystem vorgesehen ist.

Jeder Mensch, oder vielmehr jede intelligente Kreatur, wird zu einem gewissen Maß von äußeren Faktoren beeinflusst und von inneren Antrieben gelenkt. Diese Einflüsse können sich entweder vereinfachend oder erschwerend auf den Lebensweg eines Lebewesens auswirken.

Nehmen wir einen Mann Mitte dreißig, der vor drei Monaten bei einem Verkehrsunfall erblindet ist. Er findet sich kaum in seinem “neuen Leben” zurecht, stößt überall an, ist ständig auf fremde Hilfe angewiesen und versinkt noch dazu im Selbstmitleid. Die Blindheit hat zur Depression geführt, zwei Faktoren, die sich sehr negativ auf sein Leben auswirken – sprich Nachteile für den Charakter darstellen.

Andererseits ist unser Beispielmann aber seit seiner Geburt unheimlich vermögend, weil er in eine alte, reiche Dynastie hineingeboren ist. Das Geld hilft ihm natürlich dabei, mit seiner Behinderung umzugehen, sich die besten Ärzte und Hilfen zu leisten und insgesamt das beste aus seiner Situation zu machen. Zudem kann er darauf vertrauen, dass seine ganze Familie geschlossen hinter ihm steht, sich um ihn kümmert und alles dafür tut, ihm sein Los zu erleichtern. 

Ihr seht schon: alleine in diesem kurzen Beispielabsatz haben sich zwei Vorteile und zwei Nachteile versteckt, nämlich Behinderung (Blindheit), Depressionen, Vermögend und Dynastie. Und nur über die Erläuterungen dieser Nachteile habt ihr jetzt beim Lesen schon ein deutliches Bild von unserem reichen, blinden Beispielmann im Kopf. Und genau das ist der Grund, weshalb wir solche Fans von Vor- und Nachteilen für Spielercharaktere sind.

Vor- und Nachteile auswählen

Ganz vorneweg unser Tipp: Wählt die Vor- und Nachteile vor allem danach aus, was ihr für Euren Charakter passend findet und Ihr Euch auch selbst zutraut, für eine ganze Weile zu spielen. Lasst Euch nicht zu sehr von Spielvorteilen als eher vom inneren Bild Eures Wunschcharakters lenken.

Die Vor- und Nachteile bei Scorekeeper besitzen jeweils eigene Punktwerte. Einige davon kann man in verschiedenen Stufen ansetzen, was dann wiederum die Stärke und Ausprägung der Eigenschaft ergibt.

Beide Punktwerte werden einfach gegeneinander aufgerechnet: Vorteile – Nachteile = Fertigkeitspunkte-Modifikator.

Rechnet Ihr also die Punkte gegeneinander auf, erhaltet ihr am Ende entweder die Null oder ein positives oder negatives Ergebnis. Wählt ihr mehr oder stärkere Nachteile, wird das Ergebnis negativ und umgekehrt. 

Erhaltet ihr ein negatives Ergebnis, wird dieses auf die Maximalzahl Eurer verfügbaren Fertigkeitspunkte bei der Charaktererschaffung aufaddiert. Ein positives Ergebnis wird entsprechend von den Fertigkeitspunkten abgezogen.

Stattet Ihr also Euren Charakter reich mit Vorteilen aus, wird er mit weniger Fertigkeitspunkten ins Spiel starten. Legt Ihr den Fokus auf die Nachteile, wird er einen kleinen Bonus auf die Fertigkeitspunkte erhalten. 

Aber vorsicht, Nachteile haben die böse Angewohnheit, Spielleiter zu üblen Geschichten zu verführen. Ob das die paar Fertigkeitspunkte am Anfang Wert waren?

Eine erste Liste an Vor- und Nachteilen findet Ihr im Anhang an die Basisregeln.

Es kommt immer wieder vor, dass Spieler im Laufe einiger Spielsitzungen merken, dass sie ihren Charakter doch anders spielen als ursprünglich angelegt. Das kann insbesondere Vor- und Nachteile betreffen, die einfach nicht (mehr) passend sind oder nicht richtig umgesetzt werden konnten.

Hier ist in erster Linie das Feingefühl des Spielleiters gefragt. Manche Eigenschaften (wie z.B. eine angeborene Behinderung oder eine Giftresistenz) werden sich nicht mehr aus dem Bild des Charakters entfernen lassen. Andere wiederum können sehr gut “aufgegeben” werden und alleine dies auszuspielen macht vielleicht sogar reizvolle Szenarios aus (man denke an den reichen Tycoon, der plötzlich all sein Vermögen an wohltätige Zwecke gibt, weil sein Spieler auf den Vorteil „Vermögend“ verzichtet).

Möchte ein Spieler einen Vorteil aufgeben, erhält er dessen Punktwert direkt als Erfahrungspunkte gutgeschrieben und kann diese nach Belieben verteilen. Zudem sollte das Aufgeben eines Vorteils auch eine gewisse Spielrelevanz haben, das heißt der Spielleiter sollte für einen gewissen Ausgleich im Spiel selbst sorgen (und wenn es nur Anerkennung ist).

Das aufgeben eines Nachteils ist nicht ganz so einfach. Der Spieler muss Erfahrungspunkte investieren, um den Punktwert des Nachteils abzubauen. Dabei kostet jeder abgebaute Nachteilspunkt 3 Erfahrungspunkte.

Mit sinkendem Punktwert sollte auch die Spielwirkung des Nachteils immer weiter abnehmen. Erreicht der Wert schließlich Null, ist der Nachteil endgültig Geschichte und wird vom Charakterbogen entfernt. Insbesondere hier sollte der Spielleiter die Wirkung des aufgegebenen Nachteils im Spiel deutlich einbringen, zumal der Charakter beziehungsweise Spieler vermutlich lange Zeit dafür gekämpft hat.

Grundsätzlich sei gesagt, dass das spätere hinzufügen von weiteren Vor- und Nachteilen auch immer ein (wichtiger) Teil der Geschichte und passend zur Charakterentwicklung geschehen sollte. Auch Spielleiter können die Möglichkeit nutzen, Spieler mit der Vergabe von zusätzlichen Vorteilen zu belohnen bzw. Durch die Auferlegung eines Nachteils zu strafen. Denkt aber bitte daran, dass es vor allem darum geht Spaß am Rollenspiel zu haben – und dafür muss jeder Spieler seinen Charakter selbstbestimmt führen können.

Wenn es zum Charakter und der Geschichte passt, könnt ihr zusätzliche Vorteile erwerben, indem ihr deren doppelten Punktwert in Erfahrungspunkten zahlt.

Gleichzeitig gibt Euch die (passende) Aufnahme eines weiteren Nachteils deren Punktwert in frei verteilbaren Erfahrungspunkten.

Ein gutes Beispiel für ein zusätzliches Aufnehmen eines Nachteils wäre ein unglücklicher Charakter, der während eines heldenhaften Einsatzes zwar seinen Kameraden gerettet hat, dabei aber selbst ein Bein verloren hat. Mit Zustimmung des Spielleiters kann der Spieler den Nachteil „Verstümmelt“ dem Charakter hinzufügen und erhält gleichzeitig dessen Punktwert als frei verfügbare Erfahrungspunkte.